Geboren 1950 in Eldorado, Argentinien. Kunst und Architekturstudium in Buenos Aires. Erste Einzelausstellung als 19-jähriger in der Galerie Lirolay in Buenos Aires. Von 1972 bis 1976 Fortsetzung seines Studiums als Stipendiant in Deutschland, wo er anschliessend als Architekt und Maler tätig ist.
Im Jahr 1991 übersiedelt er nach Palma de Mallorca. Schwerpunkt seiner Architektentätigkeit waren Restaurierungen historischer Gebäude.
1999 wird ihm der bedeutende Architekturpreis Ciudad de Palma für die Restaurierung eines Palastes aus dem 16. Jahrhundert verliehen.
Gleichzeitig finden zahlreiche Ausstellungen seiner Bilder statt.
Öffentliche Institutionen und private Sammler sind in Besitz seiner Werke.
Ab 2003 beschliesst er sich ausschliesslich der Malerei zu widmen und seit 2006 lebt und arbeitet er in Argentinien.
Die freie Abstraktion, eine langjährige und fruchtbare Erscheinung in unserer Kunstszene, findet in Rodolfo Zagert eine andersartige, höchst persönliche Stimme. Als Erstes sticht in seinem jüngsten Schaffen die Poetik seiner Werke ins Auge, ein begnadeter Zustand, der sich über jede technische und formelle Betrachtung erhebt.
Erwähnen wir zunächst, dass Zagert über vier Jahrzehnte im Ausland gelebt hat, bevor er vor wenigen Jahren in seine Heimat zurückkehrte. Gesagt sei auch, dass seine künstlerischen Interessen verschiedenartig und sehr eklektisch sind, so kann er vom Figürlichen beinahe nahtlos zum Abstrakten übergehen.
Wo er sich jedoch am wohlsten fühlt, wo Zagert mehr er selbst sein kann, ist das Universum, in dem das Werk sich selbst repräsentiert, in einem Spiel der subtilen Farbharmonien. In der reinen Abstraktion. Sei es auf Leinen oder bei der Verarbeitung durchsichtiger Folien, scheinen die sanften Tönungen über den Rahmen hinaus zu wachsen, sich im Raum zu verlieren, sich in einem Ganzen zu verschmelzen, jenseits des faktischen Zustands der eigenen Stoffes.
Auf dem mühsam berarbeiteten Hintergrund setzt Zagert ab und an kleine Fetzen deutlicher und kontrastierender Formen. Und manchmal, nur manchmal, ein winziges figuratives Detail, eine Art ausserirdischen Eingriffes: verschlungene Hände oder eine im geordneten Chaos des Werkes verlorene fast nicht warnnehmbare menschliche Gestalt.
Diese beinahe schwebenden Elemente sind kein Zufall: sie verleihen der Struktur der Komposition Spannung. Und sie fungieren als Ideogramme, die dem Bild eine ungeahnte Dichte verleihen und die schattenhafte Andeutung einer Botschaft suggerieren.
Eines seiner Werke ist der erdachte “Augenblick nach dem Urknall”. Als Apostille lesen wir “Fragment”*. In der Tat eine Sinekdoche: das Teilchen repräsentiert das Ganze. Aber wie stellt man einen Ausschnitt des Unendlichen dar, bildet dieser Ausschnitt doch selbst eine neue Unendlichkeit?
Es ist der ewige Konflikt zwischen der Malerei und ihrem eigenen Wesen. Das Bild, als Grenzgebiet, ist die Herausforderung der Kunst und des Künstlers: ein Gebiet in welches Rodolfo Zagert eindringt auf der Suche nach anderen Welten. Die Welten, die in ihm wohnen.
Da die Kunst die schönste Form der Zeugnisse ist, stellt das Werk Rodolfo Zagerts eine tiefe und beunruhigende Entwicklung des Menschseins dar. Eine Art Weltanschauung seiner Vergänglichkeit. In ihr wird der Mensch zum Symbol, sind doch die prometheischen Archetypen isolierte Figuren, in einen Raum ohne Bezugspunkte erdrückt, auf der Leinwand dieses Künstlers zu finden. Die taktile Bearbeitung, der Einsatz von sanften Farben - die in Ocker-und Brauntönen, Zinnober und Graublau - gestalteten Texturen von dichter plastischer Beschaffenheit, aus deren Mitte der Mensch in eine unwirtliche Landschaft eintaucht, in deren Himmel weder Sternbilder zu bewundern noch Horizonte zu überschreiten sind.
Diese trostlose Vision bring uns die Gewissheit des Unmöglichen nahe. Auch wenn der Künstler ahnt, dass das wesentliche Wissen existiert, weil das Universum nicht lediglich ein Spiegelbild seiner selbst sein kann, fühlt er sich als Mensch übermannt von jenen existenziellen Zweifeln, die keine Sphinx zu deuten vermag. Die des absoluten Wissens.
“Unsere Blicke –so der Biologe Laborit- fallen zurück auf den begrenzten irdischen Horizont, der uns umgibt. Wir stellen uns unseren Globus irrend und sich im Weltall drehend vor, und suchen die Ruhe in einem Olivenbaum, dessen Blätter in der Abendbrise rauschen, oder im Geflüster einer arbeitenden und träumenden und leidenden Stadt zu unseren Füssen, im Beisein unserer Brüder, unserer im selben Raumschiff eingeschlossenen.
Gattung Mensch, was uns alles nicht sonderlich Sorgen zu machen scheint. Wir finden Trost im brodelnden Alltag, der uns umgibt.”
Rodolfo Zagert ahnt derartiges, und die Entwicklung seiner Arbeiten sind wie die Briefe eines Schiffbrüchigen, die er später in eine Flasche legt und ins Meer wirft. Liebesbriefe an das Leben. Weil die Sehnsucht nach Licht für den Künstler eine erhellende Offenbarung bedeutet. Wie der Leuchtturm von Capdepera. Er durchbohrt die Finsternis und enthüllt die Klippen.
Hier also entdecken wir den Keim, der beim Betrachten des Kunstwerkes aufgeht. Er baut Brücken in Form von Gesprächen, er fordert uns zum Nachdenken heraus, er weist den Weg zur Stadt des Lebens, von der Berenson träumte, wenn er an das Florenz der Renaissance dachte.
Die Geschichte der Kunst ist nichts anderes als der Bau von Wegstrecken, von der schöpferischen Ergriffenheit des Künstlers, also des Menschen, hin zu den ersehnten Zielen, dröhnende Territorien überquerend. Und es ist genau diese helle, erleuchtende.Wahrnehmung, die das Werk von Rodolfo Zagert ausstrahlt.
Keinesfalls wirken diese Gemälde, diese liebevoll erschaffenen Bilder, beruhigend oder schmerzstillend. Ihre Aussage ist tiefgründiger und daher fast unheimlich. Sie trifft auf den Betrachter mit jener klangvollen Stille, die Zagert in der Einsamkeit seines Ateliers zu erzeugen wusste. Und diese klangvolle Stille ist der feinfühlige Gedanke des Künstlers in seiner leidenschaftlichen Verteidigung des Lichts. Als Zeuge der Sinnlichkeit ist er “auf der Seite des Lebens, nicht auf der des Todes”, wie Camus schrieb.
In unserer zum Tode verurteilten Welt vermag der Künstler –in diesem Fall Rodolfo Zagert-“Zeugnis dessen aufrecht zu halten, was sich im Menschen weigert, zu sterben. Niemandes Feind, ausser des Henkers. Es ist eine wunderliche Berufung zum Gespräch, die er für sich selbst erschafft und die zu einer überwältigenden Brüderlichkeit einlädt. Man sagt dem Künstler: siehe den erbärmlichen Zustand der Welt. Was tust du für sie? Dieser zynischen Erpressung entgegnet der Künstler: Ich trage nichts zu diesem Zustand bei. Wer von euch kann so etwas von sich behaupten?”
Das sind die Gedanken, die die Werke von Rodolfo Zagert in mir hervorrufen. Wie in einem Ritual tritt der Künstler durch sein Werk in einen Dialog mit dem Betrachter. Sein wohltuendes Handeln erreicht dann ethische Widerklänge. Er lässt das Gebiet der Vereinsamung hinter sich, er verlässt die von Misstrauen erfüllten Städte. Er geht zum Licht.
Sein Werk ist gekennzeichnet von der Themenvielfalt und der unerschütterlichen Suche nach Ungewissheiten, die nach dem ersten Schock meistens erhellen. Man kann jedoch behaupten, dass Rodolfo Zagert, ein als Eklektiker bewerteter Künstler, Formen des Reisens erschafft. Pausenlose, immer erfrischende Reisen.
Nicht nur wegen der besagten Reisen behaupten wir, dass er Wanderungen verarbeitet.
Auch nicht, weil der Künstler, der in der argentinischen Provinz Misiones geboren wurde, Kunst und Architektur in Buenos Aires studierte, dann als Stipendiat nach Deutschland zog und dort - und in Palma de Mallorca - über drei Jahrzehnte lebte. Der zentrale Grund ist ein anderer.
Obwohl die freie Abstraktion die wesentliche Ausdrucksform Zagerts ist, zeigen seine Werke, dass er sich nicht scheut, auf Figürliches zuruckzugreifen, wenn das Bild dieses Erlebnis beansprucht. Auch zeigen uns seine Bilder, dass Zagert die Herausforderung nicht scheut, unsere Blicke auf eine Reise zwischen Formen, Farben und beunruhigenden, nicht auszuweichenden Texturen zu schicken., um damit Gefühle und lebendige, mannigfaltige Gedanken zu erwecken.
Zusammenfassend, seine Bilder zeigen uns, dass wir einen Künstler vor uns haben, der uns an die Hand nimmt, aber vielmehr an der Nase führt: Manchmal neugierig, dann wieder hypnotisiert von den merkwürdigsten Stimmungen, den abstrakten Fragmenten, den figurativen Details, dem Spiel mit den Farbharmonien. Immer und immer wieder, hin und zurück.
Man betrachte aufmerksam die Bilder: diese wie Gestein schroffen Flächen, felsig wie fremde Planeten, und ringsherum Farbfragmente, die an Spuren einer Explosion erinnern.
Wie Flügel, wie eine offene Einladung in das Licht. Ein fruchtbares Chaos, das verdient, ergründet zu werden.
Das Gefühl eines leeren Raumes ohne Bezugpunkte fällt an seinen Werken exquisiter Texturen als Erstes auf. Feinfühlig ausgearbeitet, offenbaren seine Bilder eine ausserordentliche Begeisterung für dieMaterie.
Rodolfo Zagert wendet die Mischtechnik an, sowohl auf der Leinwand wie auf dem Papier.
Auf beiden Untergründen legt er seine Geschicklichkeit an den Tag, den bemessenen Gebrauch der Farben - je nach Bedarf verwischend oder betonend - in einer weisen Dosierung, welche die ausgretenen Pfade der abstrakten Malerei umgeht. Zagert meidet dieses Risiko, indem er Collagen verwendet, die er mit Gewandtheit und Feingefühl handhabt. Das ermöglicht ihm, figurative Darstellungen zu erschaffen, die uns zum Nachsinnen einladen. Somit befreit er sich vom üblichen Hang zum Ästhetizismus, und dann, wie Cándido Ballester sagt, “erreicht sein Werk ethische Widerklänge”.
Zagert beherrscht vor allem die Anwendung der kreativen Kräfte: die Verbindung der verschiedensten Malstile - vom Figurativen bis hin zum Abstrakten -, das Aneignen kunstgeschichtlicher Motive und völlig innovative Arbeitsverfahren.
Zagerts Werk offenbart eine Fragmentation des Alltäglichen und führt zu einer Reflexion über das Wesen der Gattung Mensch.
Wir finden dort kein Wasser, kein Feuer, keine Erde, keinen Wind, und doch sind alle Elemente präsent. Seine Abstraktionen besitzen die Tugend der Einbeziehung, möglicherweise dank des kräftigen Dialogs mit der Materie. Besagte Materie erscheint weder in Form von Tieren noch von Menschen, und trotzdemscheint er sie auf irgendeine Weise zu erwähnen. Ist es eine Sprache der Abwesenheit?
Materie, die zu fliegen scheint, losgelöste Materie, die an unserer Erinnnerung haften bleibt,die die getrennten Umrisse der zwischen Natur und Technologie kämpfenden Identitätwieder zusammenbringt, zwischen dem Bewohnten und dem Unbewohnten.
Die unterschiedlichen Materialien, die Zagert einsetzt, und zum anderen seine innovativeTechnik, verstärken diese Spannung. Seine Bilder sind das Ergebnis der Gesetztheit einesunermüdlichen Geistes. Dort sammeln sich vierzig Jahre Erfahrung: es konvergieren seine Hingabe zur Architektur, seine Collagen-Periode, seine Wechsel zwischen Figurativem und nicht Figurativem, seine lange Zeit in Deutschland und in Spanien, und schliesslich seine Rückkehr nach Argentinien. Ein Orbit im Universum Zagert.
Wenn man in aller Ruhe die Bilder Rodolfo Zagerts betrachtet, erwacht ein merkwürdiges und beunruhigendes Gefühl, eine Mischung aus Taumel und Genuss.
In seinen Werken, durchdringt von einem geheimnisvollen optischen Magnetismus, wird die Mehrdeutigkeit oft zur Konstante: wir finden Harmonie und Stille, aber auch Chaos und Veränderung.
Er akzeptiert gestalterische Kunstgesetze, die Übertretungen sind jedoch zahlreich.
Figurative Elemente sind paradoxerweise gleichzeitig pure Abstraktion. Die Tiefe vieler seiner Abstraktionen scheint sich mit der Unendlichkeit zu dutzen. Einige von ihnen suggerieren sogar kosmische Visionen: manche textur-und farbenreiche Tupfer, die sich deutlich vom Gesamtkontext absetzen, können als Meteoriten gedeutet werden.
Zagert kennt kein Zaudern, wenn er etwas ausdrücken möchte. Er kennt die Sprache der Kunst gründlich und er beherrscht sehr eigentümliche Maltechniken. Er weiss diese zu verflechten und sie meisterhaft zu potenzieren, um zu einem äusserst originellen Endergebnis zu gelangen. Ein wahres Geschenk für den feinfühligen Betrachter.
Wenn man mit den Werken Rodolfo Zagerts konfrontiert wird, hat man unweigerlich das Gefühl, einen Kinnhaken bekommen zu haben. So wie es einem in der Literatur bei einigen Erzählungen von Hemingway oder Bukowski geschieht, siegt Zagerts Kunst nicht nach Punkten, sondern durch KO.
Seine Bilder zeigen uns ein Universum mit Geschöpfen, die denen von Sábato oder Soriano ähneln, immer im seltsamen Gleichgewicht.
Mit diesem Rüstzeug und mit einem –wie ich vermute- sich im unaufhaltsamen Brodeln befindlichen innerlichem Aufruhr, malt Zagert Bilder mit einer fesselnden, ergreifenden Schönheit.
Die Arbeit dieses in Misiones geborenen und nach Europa verpflanzten Künstlers empfinde ich als ungewöhnlich fesselnd und originell.
Die Wanderung, auf die uns das Werk Rodolfo Zagerts einlädt, führt uns zu einer ungewöhnlichen Erfahrung.
Seine Schritte kommen und gehen auf eine Reise durch Texturen und chromatischen Entdeckungen, die den Betrachter in eine Dimension eintauchen lässt , wo nichts ohne Grund zusammenfließt.
Es ist möglich, dass dem Künstler selbst nicht der Reichweite seiner Werke, über die rationelle Entwicklung seiner Kompositionen hinaus, bewusst ist. Es gibt ein Gebiet, in dem der Erschaffer das Ruder abgibt, er wird zum Mittler zwischen dem Unbewussten und seinem künstlerischen Handeln.
Zagert stammt aus der Welt der Vernunft, aber dennoch hat er im Laufe der Zeit jene grosszügige Fähigkeiten entwickelt, die zu diesem freien Flug geführt haben.
Dieser freie Flug ist es vielleicht, was uns zu erstaunten Entdeckern zahlloser Unendlichkeiten macht, in die er im Laufe der Jahre eintauchte, auf dem Weg zum jetztigen Kontinent seiner Schöpfungen.
Es sind Flächen, auf denen Geographien von Erde, Sand und Mineralien ineinanderfliessen. Sie laden uns ein zu zauberhaften Wanderschaften auf der lautlosen Mondoberfläche, oder dazu, im unendlichen Vakuum zu schweben, einem sanften Ziel entgegen, umgeben von fernen, unerreichbaren Funken.
Manchmal entpuppt sich Zagerts Sprache als eine Vielzahl von Signalen, wo verschlüsselte Narben, einsame Spuren und leise Stimmen zusammenfliessen. Sie bilden Hymnen und seltsame Melodien, die uns zwingen, noch einmal hinzuschauen.
Es ist ein eleganter Tanz der Empfindungen, die sich ständig steigern, eine nach der anderen, wenn wir vor den mit Poesie durchtränkten Leinwänden stehen.
Zagert weiss, wie man zaubert. Seine Farbpalette ebenfalls.
Die Kälte Deutschlands - wie Katja Michel sagte - blieb auf seinem Blick haften.
Ein Blick kolossaler Tiefen, der später während seiner Zeit auf Mallorca von den reinen Luft des Mittelmeeres durchtränkt wurde: Himmel, Felsen, Kiesel und Meer.
Heute sind seine Gemälde das Resümee dieses unvergleichlichen Charakters:Transparenz, Schleier und Funken, die in einen erwärmenden Dialog eintreten.
Der Betrachter hört aufmerksam zu, während sich die Stimmen im Raum vereinigen.Wir stehen vor einem wahrhaften Zauberer. Die Transzendenz seiner Wanderungen ergründet neue Flächen und erinnert irgendwie an die Worte Walter Benjamins, der in seinem unverzichtbaren Essay “Illuminationen” sagt: “Weder die Materie, noch der Raum, noch die Zeit sind seit zwanzig Jahren, was sie seit jeher gewesen sind.
Es ist anzunehmen, dass grosse Erneuerungen auch die Kunsttechniken betreffen und Einfluss auf die Erfindungsgabe ausüben, ja sogar auf wundervolle Weise den eigentlichen Kunstgedanken verändern.”
Das Werk Rodolfo Zagerts erscheint uns wie ein Geschenk, es bewegt uns durch seine Frische und dank seiner empfindsamen Sprache. Es erobert uns in dieser überzeugenden Berufung des malenden Architekten, welcher uns mit seinem feinen Humor ansteckt. Aber es ist auch die vorzügliche Begabung zur Schöpfung und Zerstörung des illusorischen Raumes, die Veränderung der Leinwandoberfläche, ein mit exquisiter malerischer Feinfühligkeit behandeltes Landschaftsfragment.
Besonders bemerkenswert sind seine hell leuchtenden Leinwände, Himmel- und Sandbrocken, Landschaften - mal himmlisch, mal irdisch - über die der Blick des Künstlers segelt.
Die privilegierte Sicht Zagerts aus einer “erhöhten” Perspektive erlaubt ihm eine persönliche Durchquerung der Kulturlandschaft, welche unsere “vorgefassten Exkurse” herausfordert und uns in die Irre führt. Eine Überraschung nach der anderen, in seiner Vielseitigkeit, in seiner sehr eigentümlichen Art, die Welt aus ungeahnten Fenstern zu betrachten.
Die Werke Zagerts werden durch Mischtechniken auf verschiedenartigen Untergründen ausgeführt. Auf seinen Bildern überwiegt die feinfühlige Abstraktion, begleitet von der einen oder anderen Collage und hin und wieder einige kleine menschliche Gestalten.
Was viele Künstler mit verwandten Malstilen versuchen - jedoch meistens glücklos, weil sie sich ständig wiederholen und streckenweise langweilen – erreicht Rodolfo Zagert voller Anmut, und vermittelt uns eine Stimmung hoher poetischer Spannung.
Diese Aussage wird durch die Namensgebung der Werke bestätigt, genauso suggestiv wie die Bilder, die an Klee erinnern, der nicht zufällig von seinem Geburtsland Schweiz nach Deutschland zog.
Zagert vermeidet einfache Formulierungen, in jedem Augenblick spüren wir, dass wir vor einer anderen Erfahrung stehen, deren originellen Früchte uns die unerschöpfliche Welt der bildenden Kunst geniessen lässt. In anderen Worten: Zagert ist ein Künstler, also verwandelt er die leblose Materie in einen vibrierenden Stoff, weil er ihr einen magischen Lebenshauch verleiht. Nach dieser Betrachtung erhält der Begriff Materie eine neue, von Spiritualität erfüllte Bedeutung. Seine Ausstellung zu begehen ist ein seltener Genuss.
Eine lange Reihe von waghalsigen Prozessen verkettend, ist Zagert als Erster von den hervortretenden Erscheinungen überrascht. Nach einer intensiven Beobachtung, die sich aus dem tiefen Dialog mit den von den Bildern ausströmenden Reizen und Anregungen herausbildet, beschliesst er, das Werk leben zu lassen.
Wenngleich seine Technik uns zeitweise an die “zufälligen Begegnungen” der Surrealisten denken lässt, führt uns die Poetik des Künstlers auf ein anderes Terrain: auf einem geologischen Hintergrund, wo die Erde, die Welt und die Landschaft sich in fragmentarischen Erscheinungen schwindelerregend verflechten, so als seien sie Ausdrücke aus gegensätzlichen Blickpunkten.
Aus der Vielfalt der Formen entsteht ein dichtes Labyrinth der Beziehungen, in welches eine Vielfalt von Betrachtungsweisen zusammenfliessen.
Ein eigenes Territorium, mit zahlreichen Verästelungen, denn die unterschiedlichen Verfahren machen aus der Bildfläche ein Sammelbecken, auf dem die Provokationen und Erforschungen des Künstlers sich verketten, zusammenknüpfen, Verbindungen erkunden, Partikel verknoten, um schliesslich eine organische und anorganische Welt zu entfesseln, welche sich nicht mit den uns bekannten Erscheinungsbilder zeigt, sondern vielmehr wie eine ungeahnte Reise von der Materie bis ins Herz unserer Welt.
In der Regel findet man ein hohes Mass an Gleichgewicht in den Werken Rodolfo Zagerts vor.
Schwebende Elemente, eine Art Meteoriten, scheinbar dem Zufall ausgesetzt, bringen unweigerlich das durch die Farben und der zufälligen Formen seiner Abstraktionen entstandene Chaos wieder ins Gleichgewicht. Besagte Zufälligkeit steuert Texturen, Reichtümer, überraschende Entdeckungen in der Farbgestaltung bei, ja sogar in der Qualität der Farben. Zagert neigt zur Ordnung, zum Gleichgewicht, zur Schönheit, die seit jeher aus der uralten und immer aktuellen Symmetrie entsteht. Der Zufall, eines der treuesten Freunde des zum Abstrakten hingezogenen Malers (eigentlich aller zeitgenössischen Künstler, egal welcher Kunstgattung) ist jedoch niemals allumfassend. Man lässt die Dinge fliessen, das ist wahr, tendiert jedoch, sie letztendlich zu ordnen. Und diese Ordnung ist später dafür ausschlaggebend, ob ein Kunstwerk gut ist oder nicht, machtvoll oder nicht. Weist der Zufall zunächst den Weg, wird der Zielpunkt von der Kraft des Werkes markiert, seiner Ordnung oder seinem Gleichgewicht. Ab diesem Punkt beginnt der Betrachter das Bild in Augenschein zu nehmen, wobei das Beobachten eines abstrakten Bildes immer auch ein retrospektiver Blick ist.
Der Dichter James Schuyler, der eine Zeit lang Sekretär von W.H. Auden war, verabscheute zuweilen seinen Meister, weil er der Meinung war, dass dieser niemals einen selbstkritischen Standpunkt zu entwickeln vermochte, das entscheidende Merkmal eines Künstlers.
Die Ordnung, über die ich hier spreche, hängt genau von diesem Kriterium des Künstlers ab. Talent hat man, das Kriterium muss entwickelt werden. Hiervon ausgehend tritt der Künstler in den Dialog mit den Betrachtern seiner Werke, und damit mit der Allgemeinheit
Zagert hat über fünfzehn Jahre auf Mallorca gelebt, lange genug, um die intensiven Farben des Mittelmeeres in seinen Werken aufzunehmen. Die Farben seines zwanzigjährigen Aufenthalts in Deutschland sind deutlich weicher. Seitdem er jetzt wieder in Buenos Aires arbeitet, befinden sich die Farben in der Mitte der Farbskala. Weiterhin verwendet er seine unverwechselbaren Blautöne, das intensive Rot, das flammende Ocker, aber es treten jedoch auch sanftere Töne ein, wie die eines verregneten Buenos Aires.Dieses Sichöffnen seiner Umgebung gegenüber drückt jedoch nur die Hälfte seiner Sensibilität aus, die andere Hälfte ist die innere Einkehr. Die abstrakten Expressionisten beharren seit jeher darauf, das sei stets Gegenstand ihrer Werke.
Die Analogie, die zwischen dem Äusserlichen und dem Inneren besteht, und die bei Zagert in der Sensibilität gegenüber der ihn umgebenden Farben festzustellen ist, ist ein geeigneter Weg, Innen und Aussen zusammen zu bringen. Der Künstler, der er versteht, sich seiner Umgebung zu öffnen, muss sich treiben lassen von dem, was seine Umwelt nicht nur auf seine Netzhaut projiziert, sondern ebenso auf seine Fähigkeit, es in bildlichen Formen umzuwandeln: er projiziert seine Erlebnisse auf ein Objekt.
Nicht wenige der argentinischen Werke Zagerts enthalten irgend ein an Inseln erinnerndes Element, der Einfluss, der noch von seinem Leben auf den Balearen verbleibt. Die Erinnerung ist stets gegewärtig.
Das Erlebte geschieht weiterhin. Das wird deutlich auf jenen Bildern, die entfernt auf die Inseln verweisen und erneut auf jene intensiven Farben zurückgreifen.
In der Malerei besteht das Gleichgewicht am Festhalten mehrerer Wahrheiten, auch wenn diese sich widersprechen. Besonders im Abstrakten, wo verschiedene Elemente auf einer und derselben zweidimensionalen Fläche zusammentreffen, selbst wenn sie die Illusion einer Perspektive vortäuschen.
So seltsam es in der abstrakten Kunst zu scheinen mag, die immer vom der Zweidimensionalität besessen ist. Zagerts Werk ist daher einzigartig: diese Öffnung, sowohl durch die Farbgebung als auch in der Wahl der Formen und die Art, mit der er sie zu ordnen versteht; eine Verständlichkeit, die von einer emotionalen Reaktion hervorgerufen wird aber schliesslich die eigene Deutung erlaubt: wenn man das Bild zu begreifen versucht und es der persönlichen Erfahrung anheftet.
Sich diesen Bildern zu stellen bedeutet mit ihnen zu leben - sei es für einen Augenblick lang oder über viele Jahre hinweg - sich selbst die Gefühle und Geschichten erzählend, die von den runzeligen, texturierten Oberflächen ausgehen. Und vornehmlich von der Intensität der Farben, seien es die lebendigsten und die zartesten. Die abstrakte Kunst ist ohne Intensität undenkbar.
Die Werke Rodolfo Zagerts sind nicht durch ihr grosses Format gekennzeichnet, sondern vielmehr durch die zähflüssige und dichte Ladung an Materialien, die verwendet wurden. Erde, Sand, Mineralien und Akryl verteilen sich formlos auf der Leinwand und lassen Glasuren und Zwischenräume entstehen, die die Neugier provozieren und dazu anregen, in sie hinein zu tauchen und zu erforschen.
Geisterhafte Spuren stehen im Gegensatz zur Abstraktion die einige der Werke umhüllt.
Erkunden und Eindringen sind die richtigen Begriffe, wenn wir über die “Landschaften” des Künstlers sprechen. Nicht zufällig beziehen sich die Titel der Bilder oft auf Orte oder auf Momente, die jenen Orten anhaften und die in den Werken wiederkehren.
Somit bestimmen die Titel und das Vorhandensein (oder das Fehlen) von Spuren, jenes Umfeld, welches über das Soziale, das Anthropologische und das Wissenschaftliche in den Welten des Unbewussten Auskunft gibt.
Es sind Welten, die Zagert bewusst zu machen versteht und in seinen Werken Gestalt verleiht.
Es ist als ob das Verlassen der Vernünftigkeit und sich ziellos treiben lassen, ein Echo der Worte von Georges Bataille wäre: “Car le projet est la prison dont je veux m'échapper “(“Das Projekt ist das Gefängnis, aus dem ich fliehen möchte”).